
Mit unserem neuen LIEDERLUST-Lied möchten wir euch heute auf eine Reise mitnehmen. Eine Reise nach Südosteuropa, genau genommen nach Wolfsberg, einem Dorf im Banater Bergland in Rumänien. Als Banater Bergland wird die zu den westlichen Ausläufern der Südkarpaten gehörende Bergregion im Osten des Banater Tieflandes bezeichnet. Und dort, nahe der Stadt Reschitz, befanden sich einige der interessantesten deutschen Siedlungen, was die Liedüberlieferung und den Singstil betrifft.
Hierzu ein kleiner Exkurs in die Geschichte: Österreich hat nach der Eroberung von Belgrad im Jahr 1717 (übrigens das Geburtsjahr von Kaiserin Maria Theresia) durch den Prinzen von Savoyen seinen Machtbereich in die ehemals von den Türken besetzten Gebiete im heutigen Rumänien ausgedehnt. Man holte bewusst Eisenhüttenarbeiter und andere Handwerker aus dem Böhmerwald und der Steiermark in den Raum um Reschitz und baute eine große Eisenhütten- und Metallverarbeitende Industrie auf.

Wolfsberg (rumänisch Garina) liegt im Semenic-Gebirge, das ein Teil des Banater Berglandes ist. Das Dorf wurde 1828 von Siedlern aus dem Bayerischen Wald und dem Böhmerwald gegründet und erstreckt sich über eine Länge von fast zwei Kilometern auf einem rund 1000 Meter hohen Bergkamm. Früher lebten hier ungefähr 1000 Menschen. Die kleinen Häuser waren weiß mit grün gestrichenen Fenstern und Toren. Die Einwohner lebten von der Landwirtschaft, dem Holzschlag und von der Arbeit in den Fabriken in Reschitz.

Es war ein mühsames Leben unter schweren Bedingungen. Durch die Berglage konnten die kargen Felder nur per Hand bestellt werden. Maschinen gab es so gut wie keine. Reinhard Albert erzählt, dass erst in den 1970er Jahren eine richtige Fahrstraße nach Wolfsberg gebaut wurde. Das Dorf war also ziemlich abgeschieden und seine Bewohner auf sich selbst gestellt.

Das erklärt wohl auch, warum sich in Wolfsberg solch ein interessanter Liedschatz über so einen langen Zeitraum erhalten hat. Aber nicht nur der Liedschatz ist bemerkenswert sondern auch der Singstil – das ‚groußgoschate’ Singen, dass vor allem durch den markanten Bass eine ganz besondere Dynamik bekommt. Der Bass darf nie aufhören. Es zieht sich wie ein unendliches Band unter den Melodiestimmen dahin. Das kann man fast nicht beschreiben, das muss man erleben. Und ganz besonders eindrucksvoll ist es natürlich, wenn viele Sänger und Sängerinnen zusammenstimmen. Auch Frauen dürfen hier den Bass singen.

Es ist eine ganz andere Art des Singens – nicht der Wohlklang, das saubere Zusammenstimmen, der reine Klang stehen im Vordergrund, sondern das kraftvolle Singen, im Klang baden. Ja, auch laut darf es sein. Als ich diese Musik auf Lehrgängen kennenlernte, war ich sehr beeindruckt. Das war etwas völlig anderes als der ‚wohltemperierte Gesang‘, den ich bis dahin kannte. Neu, aufregend und sehr berührend. Mich hat diese Art des Singens jedenfalls nachhaltig geprägt. Bei mir entzündete sie den Funken, mich selbst mit Volksliedern zu beschäftigen, mich selbst auf die Suche zu machen.

Nach dem Umsturz im Dezember 1989 reisten fast alle Bewohner sehr schnell nach Deutschland aus. Unter der kommunistischen Herrschaft von Nicolae und Elena Ceausescu war das Leben sehr mühselig. Von den ganzen Repressalien abgesehen, der Dauerüberwachung und Unterdrückung, war schon der ganz normale Alltag kaum zu bewältigen und war von Armut und Mangel geprägt. Als dann, bildlich gesprochen, die Tür aufging, wollten alle so schnell wie möglich diese Chance nutzen, in der Angst, dass morgen vielleicht schon keine Ausreise mehr möglich sein würde. Sie sahen für sich und ihre Kinder in Rumänien keine Zukunft mehr.
Heute wird Wolfsberg überwiegend von wohlhabenderen Rumänen, die die Häuser der ehemaligen deutschstämmigen Bewohner aufgekauft haben, als Wochenend- oder Ferienort genutzt. Aber auch ehemalige Wolfsberger, die ihre Häuser trotz Aussiedlung behalten konnten, kehren zur Sommerszeit in ihr Heimatdorf zurück. Auf den Wiesen und Feldern, die die einstigen Bewohner als Acker- und Nutzland bewirtschafteten, weiden heute Schafherden.
Die eindrucksvollen Bilder aus Wolfsberg stammen aus dem Fundus von Reinhard Albert. Vielen Dank dafür!
Wir haben aus dem interessanten Liedschatz der Wolfsberger die Wald-Ari ausgewählt. Die Mehrstimmigkeit ist ganz typisch für diesen Singstil.
Wir wünschen euch nun viel Freude beim Lauschen und Mitsingen!
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Eine Antwort
Dank dem Wolfgang Mayer, dass er auf seinen Feldforschungs-Wanderungen durch diese Gebiete diesen Fund machte.
Roswitha Busch-Hofer